[454] 8. ēreshṭhaē ca
»und beste«.

Auch der Mukhya Prāṇa (Hauptlebensodem) ist ebenso wie die übrigen Lebensorgane eine Umwandlung des Brahman; so lautet der [hier gelehrte] Erweiterungssatz. – ›Aber wir haben ja doch schon besprochen, dass alle Lebensorgane ohne Unterschied Umwandlungen des Brahman sind, denn wir sahen wie die Schrift in den Worten: »aus ihm entsteht der Odem (prāṇa), der Verstand und alle Sinne« (Muṇḍ. 2, 1, 3) noch besonders die Schöpfung des Prāṇa neben der des Verstandes mitsamt den Sinnen bezeugt, und wie es z.B. anderweit heisst: »da erschuf er den Prāṇa« (Praēna 6, 4.) Was soll also hier noch ein Erweiterungssatz?‹ – Er soll einem neuen Zweifel begegnen. Denn in dem Hymnus: »Damals war nicht das Sein und nicht das Nichtsein«, welcher es mit Brahman zu thun hat, heisst ein Vers (Ṛigv 10, 129, 2):


»Nicht Tod war damals noch Unsterblichkeit,

Nicht war die Nacht, der Tag nicht offenbar;

Es hauchte windlos in Ursprünglichkeit

Das Eine, ausser dem kein anderes war.«


Der Ausdruck »es hauchte« bedeutet eine Thätigkeit des Prāṇa und scheint anzudeuten, dass schon vor der Weltschöpfung der Prāṇa vorhanden war; es könnte also jemand auf die Meinung kommen, der Prāṇa sei unentstanden. Dieser Meinung begegnet der Erweiterungssatz. Nämlich wenn es auch heisst »es hauchte«, so bedeutet dieses doch nicht, dass der Prāṇa schon vor der Weltschöpfung seiend vorhanden gewesen; denn durch die nähere Bestimmung »windlos« wird ebenso wie durch die Worte »ohn' Odem, ohne Manas, rein« (Muṇḍ. 2, 1, 2) gelehrt, dass die Urnatur von allen Bestimmungen wie Odem u.s.w. frei gewesen sei. Somit | hat das Wort »es hauchte« nur den Zweck, auf das Vorhandensein der Weltursache hinzuweisen; so [ist der Sinn des Sūtram]. Und wenn der Lehrer dabei den Mukhya Prāṇa bezeichnet als »den besten«, so geschieht dies, weil die Schrift sagt: »der Prāṇa fürwahr ist der älteste und beste« (Chānd. 5, 1, 1.) »Der älteste« heisst der Prāṇa, weil seine Funktion schon von dem Augenblicke der Injektion des Sperma beginnt; würde sie nicht dann schon beginnen, so würde das Sperma nach seiner Injektion in den Mutterschoss verwesen oder doch nicht aufgehen.[454] Die andern Lebensorgane hingegen, das Gehör u.s.w., beginnen ihre Funktion erst nach Bildung ihrer bestimmten Standorte, des Gehörganges u.s.w., daher sie nicht das älteste sind; und »der beste« heisst der Prāṇa wegen der Superiorität seiner Eigenschaften, und weil die Schrift die andern zu ihm sagen lässt: »fürwahr wir werden ohne dich nicht leben können« (Bṛih. 6, 1, 13.)

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 454-455.
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